Morten Bogacki – 4050 Seemeilen, Solo über den Atlantik

Bericht zum Saisaonauftakt 2019: unten!

Das Mini Transat ist das größte Einhand-Transatlantikrennen und der ultimative Test für aufstrebende Hochseesegler. Auch 2019 setzt das Offshore Team Germany wieder die Segel. Mit Morten Bogacki startet ein junger deutscher Allround-Segler in das legendäre Rennen. Zum 22. Mal wird der Kurs die Solo-Segler auf ihren 6,50 Meter kleinen Yachten über zwei Etappen und 4050 nautische Meilen von La Rochelle nach Las Palmas de Gran Canaria und weiter nach Le Marin in Martinique über den Atlantik führen.

Die erste Etappe ist 1350 Meilen lang und dauert 7 bis 10 Tage. Nach dem oft komplizierten Durchqueren der Bucht von Biskaya erwarten die Segler harte, raume Winde entlang der portugiesischen Küste, bevor sie den kanarischen Archipel erreichen.

Die zweite Etappe ist 2700 Meilen lang und startet Anfang November von Las Palmas de Gran Canaria. Über 15 bis 20 Tage führt der Kurs die Segler erst durch die zahlreichen Inseln, bevor sie die berühmten Passatwinde erreichen. Dieser östliche Wind trägt die Flotte über den Atlantik bis Le Marin in Martinique. Das Leben an Bord des kleinen Schiffes ist eng. Die Navigation, das „Stacken“ der Ausrüstung, Reparaturen, Zubereitung von Mahlzeiten, kurze Schlafintervalle – nichts ist wirklich komfortabel, aber möglich.

Auf den neuen Prototypen ist das Leben im Inneren der Kajüte ein echter Sport. Der Schwenkkiel mit seinen Blöcken und Leinen in der Mitte des 1,40 Meter hohen Cockpits, die Daggerboards an den Seiten, dahinter eine schwarze, nasse Kabine von 50 cm Breite, in der die Skipper ihren zerstückelten Schlaf finden. Auf einem Mini wohnt man besser draußen, und die nasse Offshore-Kleidung ist ein akzeptabler Schutz.

Wer solche Strapazen aushalten möchte, muss wissen, worauf er sich einlässt.

Morten beginnt früh mit dem Segelsport: Optimist, 420er, dann der olympische 470er mit diversen Meistertiteln und einer erfolgreichen Zeit in der Nationalmannschaft.

2016 erlangt er seine Approbation als Arzt. Schon während des Studiums packt er unzählige Ostsee- und Atlantik-Meilen in das Kielwasser des familieneigenen Serien-Minis. Mit zwei Siegen beim legendären Silverrudder beweist er den gelungenen Disziplinwechsel ins Shorthanded Offshore-Segeln. Ein sturmfestes Allround-Talent.

Die erste Hürde ist genommen: „Lilienthal“ bei der Plastimo Lorient auf dem 10. Platz (15. April)

Die erste Hürde auf dem Weg zum Mini-Transat-Teilnahme des Offshore Team Germany ist genommen. Das Ergebnis bei der Plastimo Lorient lag zwar deutlich unter den Erwartungen des Duos Morten Bogacki/Robert Stanjek, aber der Mini „Lilienthal“ zeigte in den Phasen mit Reach-Bedingungen, wo sein eigentliches Potenzial liegt.

„Es gibt nichts zu beschönigen: Wir wollten ein anderes Ergebnis als Platz 19 unter den 68 Startern und Rang 10 in der Gruppe der Protos. Aber so ist das im Sport, man muss auch Enttäuschungen verkraften“, erklärte Robert Stanjek. Er ärgerte sich nach einem zähen Rennen unter schwachen Winden auf Zwei-Drittel des Kurses vor allem über die Rundung der Belle Ile, dem südlichsten Punkt des 230 Seemeilen langen Kurses. „Wir hatten uns gerade wieder in eine vernünftige Position vorgearbeitet, waren dann aber zu konservativ in der Annäherung an die Insel: Das Routing sagte rechts, das Gefühl links. Wir haben uns daher in der Mitte gehalten und sind schließlich hängen geblieben. Etwas lokale Revierkenntnis hätte uns sicher geholfen.“ So aber rutschten die Franzosen auf der Innenbahn nah an der Insel durch. Lediglich in den 50ern passierte „Lilienthal“ die Belle Ile, setzte dann aber zum Zielsprint und zur großen Aufholjagd an. Endlich kamen mit Winden zwischen 20 bis 24 Knoten aus achterlichen Richtungen die Bedingungen für den Plattbug-Mini. Mit Top-Speed über 13 Knoten preschte das deutsche Duo durch das Feld, sammelte Konkurrent um Konkurrent ein und schaffte schließlich noch den Sprung unter die Top-20 aller Teilnehmer beim ersten gemeinsamen Auftritt.

Da konnte auch OTG-Teammanager Jens Kuphal wieder durchatmen. Er hatte in Berlin am Live-Tracker mitgelitten: „An der Belle Ile mochte ich schon gar nicht mehr hingucken. Aber dann kamen zum Glück Reach-Bedingungen. Dafür ist die ‚Lilienthal‘ gebaut.“ Er erinnerte sich an die Plastimo-Regatta im vergangenen Jahr, als die „Lilienthal“ mit Jörg Riechers und ihm selbst als Co-Skipper an Bord in der gleichen Situation war. „Das Rennen diesmal war wie eine Kopie von 2018. Auch damals sind uns die Locals an der Insel durchgerutscht. Am Ende waren wir 16. unter 58 Teilnehmern und nur siebter Proto, Jörg war damals total genervt vom durchwachsenen Saisonauftakt.“

So konnte ein Haken hinter dem ersten Rennen der Saison und dem ersten gemeinsamen Auftritt von Morten Bogacki/Robert Stanjek gemacht werden. Trotz Müdigkeit trat das Duo stattdessen gleich in die Analyse ein: „Es war gut, uns seglerisch kennenzulernen. Die ersten Meilen sind auf dem Konto. Morten hat bei den Manövern eine starke Performance gezeigt, ich hatte die Möglichkeit, viel zu steuern. Das war wichtig. Aber es hat sich auch gezeigt, dass ein eingespieltes Team das Boot wesentlich schneller wieder auf Topspeed bekommt. Das haben wir schmerzlich erfahren müssen“, berichtete Stanjek. Hinzu kamen ein paar kleine Stolpersteine in der Ausrüstung. Der Windgeber lief nicht exakt, und die Segelgarderobe ist noch nicht wieder auf Top-Niveau.

Morten Bogacki, der im Herbst das Mini-Transat mit „Lilienthal“ segeln wird, hat aus dem Saisonauftakt viel Erfahrung gezogen: „Wir waren ohne gemeinsames Training zum ersten Mal gemeinsam auf dem Boot. Und das hat gleich super harmoniert. Unter diesen Voraussetzungen durfte man sicherlich nicht zu viel erwarten. Wichtig war für mich der Input von Robert. Er hat noch mal einen ganz anderen Blick. Die Bedingungen waren lange schwierig für das Boot. Für leichten Wind und Kreuz-Bedingungen ist die ‚Lilienthal‘ eben nicht gemacht. In den Abendflauten haben wir viel verloren.“ Umso mehr konnten beide die Abschlussnacht genießen. „Das waren defintiv ‚Lilienthal‘-Bedingungen“, schwärmte Bogacki, und Stanjek ergänzte: „Auf diesen Kursen ist das Boot eine Waffe.“

Morten Bogacki und „Lilienthal“ wachsen zusammen (30. April)

Der Mini des Offshore Team Germany nimmt Fahrt auf. Beim zweiten Auftritt in diesem Jahr ist „Lilienthal“ auf Platz fünf gesegelt. Skipper Morten Bogacki, der mit dem OTG-Mini das erste Mal im Solo-Regattamodus unterwegs war, segelte bei der Pornichet Select über 300 Seemeilen stets im Vorderfeld mit und hätte unter den über 70 Startern mit etwas mehr Erfahrung auf dem Boot sogar auf das Podium fahren können.

„Ich bin sehr zufrieden, auch wenn gerade der Verlust des vierten Platz‘ kurz vor dem Ziel etwas ärgerlich war. Aber ich habe gekämpft, und es war gut zu sehen, dass man in der Spitze mithalten kann – und das, obwohl Lilienthal immer noch nicht die optimalen Segel hat“, berichtete Bogacki.

Nach dem Start vor Pornichet an der französischen Atlantikküste (westlich von Nantes) hatte der Kieler sogar das Feld der Mini-Spezialisten angeführt, musste dann aber zunächst Axel Trehin auf der „Cherche Partenaire“ ziehen lassen. „Man hat schon gemerkt, dass mit mehr Erfahrung noch einiges an Potenzial aus den Booten herauszuholen ist. Das fehlt mir noch. Und es ist natürlich schwer, während der Regatten zu experimentieren“, sagte Bogacki. Bis zum westlichen Kurspunkt vor Les Birvideaux hielt der OTG-Skipper Platz drei. Auch François Jambou mit der „Marée Haute“ konnte seine größere Erfahrung ausspielen, um den Mini auf Speed zu trimmen.

Danach gelang es Morten Bogacki weitgehend, die Angriffe der großen Flotte abzuwehren und sich auf die besonderen Herausforderungen des Solo-Langstreckensegelns einzustellen. „Nachdem die erste Nacht schweinekalt war, habe ich am zweiten Tag etwas Kraft tanken können. Bei leichten Winden konnte ich im Cockpit immer etwas dösen. Ausgeruht in die Nacht zu gehen, ist wichtig, um nicht irgendwelchen Quatsch zu machen.“ Und wie schnell sich die Situation ändern kann, zeigte sich, als Bogacki in der Dunkelheit mit einer Fischerboje kollidierte. Er war gerade dabei, die Systeme zu checken, als er von der Tonne komplett ausgebremst wurde. Mit etwas Mühe und dem Einrollen des Code-0 gelang es ihm aber, sich selbst wieder zu befreien. „Leider hat das natürlich einiges an Zeit gekostet.“

Zeit, die am Ende für eine noch bessere Platzierung gefehlt hatte. Auf Rang vier hinter Erwan Le Méné auf der „Rousseau clôture“ steuerte Bogacki auf dem letzten Schenkel in Richtung Ziel vor Pornichet. Und hier rutschte ihm noch Vincent Lancien mit der „Roll my Chicken“ knapp durch. „Er ist extrem dicht unter Land entlang geschlichen. Das habe ich mich nicht getraut. Dazu fehlten mir die lokalen Kenntnisse“, berichtete Bogacki, der zudem noch nach der richtigen Am-Wind-Balance der „Lilienthal“ zwischen Höhe und Schnelligkeit suchte: „Genau an diesem Punkt wird mir die weitere Erfahrung helfen. Jetzt bin erst einmal froh, das Rennen so gut durchgestanden zu haben und freue mich auf eine richtige Mahlzeit.“

Ein Lob für den couragierten Auftritt kam von OTG-Teammanager Jens Kuphal: „Unser Ziel ist es, mit der Kampagne den deutschen Offshore-Nachwuchs zu fördern. Und mit Morten haben wir den richtigen Mann ausgesucht. Er hat ‚Lilienthal‘ schon nach wenigen Wochen fast auf das Niveau des vergangenen Jahres gebracht.“

In den nächsten Wochen stehen nun weitere Härteprüfungen für Morten Bogacki an. Schon Anfang Mai soll es von Quiberon aus ins 500-Seemeilen-Rennen „Mini en Mai“ gehen. Und wenn das Wetterfenster passt, will der approbierte Arzt auch noch die 1000-Seemeilen-Qualifikation für das Mini-Transat segeln, das im September den bisherigen Höhepunkt seiner Offshore-Karriere bilden soll.

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