Um 14.42 Uhr am Sonntag, 15. Januar, war es soweit. Am Ponton von GUYOT environnement – Team Europe wurden die Leinen losgeworfen. Aus den Boxen im Hafen von Alicante wummerte AC/DC: Mit „Back in Black“ ließ die Mannschaft von Skipper Benjamin Dutreux und Co-Skipper Robert Stanjek die Segelfans im Hafen von Alicante zurück. Nachdem das Team vor eineinhalb Jahren beim The Ocean Race Europe auf der weißen „Einstein“ triumphiert hatte, ist es nun mit der ehemaligen „Hugo Boss 6“, der nachtschwarzen Yacht, zurück auf dem Kurs – diesmal in Richtung Welt-Abenteuer The Ocean Race. Kurz nach dem Start gab es auf der schwarzen Yacht zwar Probleme mit dem Furlen des Code Zero. Es dauerte einige Minuten, bis das Problem behoben war. Aber als die Flotte die Bucht von Alicante verließ war das GUYOT environnement – Team Europe wieder zurück auf Speed, wenn auch schon mit vier Meilen Rückstand auf das konkurrierende Quartett.
Vor dem Auslaufen hatte die Crew mit Dutreux, Stanjek, Annie Lush, Phillip Kasüske und Onboard-Reporter Charles Drapeau in der Team-Base und am Ponton die letzten Vorbereitungen abgeschlossen. Es gab am Morgen frisch zubereitete Crêpe, später ein kräftigendes Lunch, viele Umarmungen und aufmunternde Worte. Ein paar schnelle Interview-Fragen wurden beantwortet, schnell noch mal ein Foto von den Lieben eingeschweißt, das im Cockpit der Yacht einen Platz finden soll. Detailfragen mit Tech-Team-Chef Thomas Cardrin und Wetter- und Routing-Experte Sébastien Simon wurden geklärt.
Bei der Segler-Parade zeigten sich die unterschiedlichen Charaktere der Mannschaft. Benjamin Dutreux und Robert Stanjek genossen es, sich vor der Menge präsentieren zu können, Annie Lush wirkte fokussiert, Phillip Kasüske mit seinem breiten Kreuz war der Fels in der Brandung, und Charles Drapeau konnte seine Tränen nicht zurückhalten.
Aber dann war das Segelteam auf sich allein gestellt. Endlich! Nach zwei aufregenden Wochen in Alicante mit vielen Terminen, nach zwei Monaten Arbeit für das Tech-Team, die mit dem Zieleinlauf der Route du Rhum begannen.
„Wir sind so froh, auf dem Wasser zu sein. Es war ein Berg an Arbeit in den vergangenen Wochen, um die Yacht für das The Ocean Race vorzubereiten. Nun hat das Tech-Team den Schlüssel an die Segelcrew übergeben. Wir nehmen die Verantwortung an, sind vorbereitet und zuversichtlich“, sagte Benjamin Dutreux. Nach dem aktuellen Routing rechnet er mit einer fünfeinhalb Tage währenden Tour bis nach Cabo Verde und sieht gleich mit dem Beginn des Rennens einige Herausforderungen: „Bis Gibraltar bekommen wir kräftig Gegenwind. Da kann sich schon viel entscheiden. Wir müssen die richtige Balance finden. Wir haben ein starkes Boot, aber es ist eben auch ein Imoca. Da kann immer etwas passieren. Und wir müssen das Boot in der gleichen Form nach Cabo Verde bringen, wie es hier in Alicante vom Tech-Team übernommen haben. Denn wir brauchen es genauso für die zweite Etappe nach Kapstadt. Da wir keine Chance zu großen Reparaturen haben.“
Der Start lief zunächst gut für das Team. Mit einem guten Timing ging es um 16.10 Uhr nah am Startschiff über die Linie. Allerdings waren es die Neubauten von Biotherm mit Paul Meihat und Holcim von Kevin Escoffier, die den Speed vorgaben. Nach Rundung der ersten beiden Bahnmarken bremste zudem der Code Zero, der sich nicht sauber furlen ließ, das Team von Dutreux und Stanjek aus. Es baute sich ein großer Abstand auf, bevor das große Vorsegel seine volle Kraft entfalten konnte.
Die ersten Meilen werden allerdings noch nicht über den Ausgang dieser Etappe entscheiden. Gespannt blickt Robert Stanjek auf die kommenden 24 Stunden: „Es wird darum gehen, den richtigen Winddruck im Schatten der iberischen Landmasse zu finden – nicht zu sehr unter Land zu fahren, aber auch nicht zu sehr Offshore zu gehen. In der Anfahrt auf Gibraltar wartet dann schon der erste Härtetest. Wir werden kräftigen Wind von vorn und Strömung von hinten haben. Es ist durchaus möglich, ein Boot in dieser Konstellation zu zerlegen. Wir müssen sehr intelligent agieren.“
Die Meerenge zwischen Europa und Afrika selbst offenbart dann noch weitere Schwierigkeiten, wenn es voraussichtlich in der Nacht auf Dienstag hinaus auf den Atlantik geht. „Das wird heftig in der Straße von Gibraltar. Niemand in der Crew wird schlafen können. Wir haben nur Halbmond und damit wenig Licht, dazu wird viel Verkehr herrschen. Man muss sehr gut aufpassen“, so Stanjek. Mit Benjamin Dutreux ist er sich einig, dass es danach eine schnelle Reise nach Cabo Verde geben wird. Taktisch wird entscheidend sein, nach dem Schlag auf den Atlantik gen Westen den richtigen Moment zu finden, um den Bug nach Süden zu richten und dann auf dem Downwinder gut am Windschatten der Kanarischen Inseln vorbei zu kommen.