Die erste Etappe des Mini Transat, der Atlantik-Regatta für Solosegler auf den kleinen Yachten vom Typ Mini 6.50, war durch Morten Bogacki eine seglerische Leistung auf absolutem Höchstniveau. Auf den 1350 Seemeilen von La Rochelle/Frankreich nach Las Palmas/Gran Canaria trotzte der 33-Jährige heftigen Winden, Flaute, Bruch an Bord, dem Ausfall des Autopiloten und tagelangem Schlafmangel. Allen Problemen zum Trotz erreichte der einzige Teilnehmer unter deutschen Flagge als Elfter im Feld der Proto-Yachten das Etappenziel.
Die Erschöpfung stand dem Kieler ins Gesicht geschrieben, als er in den Abendstunden des Montags das Ziel vor Las Palmas erreichte. Lediglich zehn bis zwölf Stunden hatte er in den vergangenen fünf Tagen geschlafen, war die letzten 24 Stunden auf dem Mini 6.50 „Lilienthal“ des Offshore Team Germany (OTG) ganz ohne Ruhephase durchgesegelt. Technische Unterstützung hatte der Allroundsegler, der ehemals in verschiedenen Jollenklassen gesegelt war und inzwischen in der Szene der Offshore-Solo-Segler angekommen ist, bei diesem Segel-Marathon nicht mehr. Denn die Selbststeueranlage war westlich von Lissabon ausgefallen. Doch mit ungeheurem Durchhaltenvermögen schaffte es Morten Bogacki ins Etappenziel. „Ich habe viel Zucker und Red Bull zu mir genommen. Zuletzt wurde ich wohl nur noch durch das Adrenalin gepusht. Jetzt erst merke ich, wie diese Wirkung so langsam nachlässt“, berichtete Bogacki nach ein paar Stunden Schlaf über eine aufwühlende Etappe von La Rochelle nach Gran Canaria.
Doch der Reihe nach: Mit zwei Wochen Verspätung waren die 87 Starter vor La Rochelle in das Rennen geschickt worden. Während sich die Biskaya vor dem Start von ihrer wilden Seite gezeigt und damit die Geduld der Solo-Segler vor ihrem Rennen von Frankreich über die Kanaren in die Karibik aufs Äußerste gefordert hatte, wurde der erste Abschnitt des Rennens zur Nervenprobe. Die schwachen Winde bereiteten ein breites Feld von taktischen Entscheidungen. Mit einem zunächst mittleren Kurs hielt sich Bogacki knapp hinter dem französischen Spitzentrio. An der Nordwestspitze Spaniens wählte der Segler des Kieler und Düsseldorfer Yacht-Clubs dann als einer der wenigen einen westlichen Kurs um das Verkehrstrennungsgebiet herum. „Das war nicht unbedingt so geplant. Ich hatte die Wende spät gesetzt und dann gab es eigentlich keine andere Option mehr. Aber der Kurs hat sich wohl als ganz gut erwiesen.“
Den Abschnitt die portugiesische Küste hinab bei herausfordernden Winden und hohem Wellengang meisterte der OTG-Segler jedenfalls souverän in den Top-Five. Doch nach einer Halse auf Höhe von Lissabon begannen die Probleme. „Ein, zwei Stunden nach der Halse riss mir der Traveller aus dem Deck und das Ende brach ab.“ Immerhin konnte dieses Problem mit Bordmitteln behoben werden. Doch als der Traveller weitgehend fixiert war, muckte die Steuerung des Autopiloten und verlangte weitere Bastelarbeit. Mit einer kurzen Nachricht an die Regattaleitung signalisierte Bogacki, dass er technische Probleme habe, aber ansonsten okay sei. Mehr ist beim Mini-Transat nicht möglich, um nicht aus dem Rennen genommen zu werden.
Mit gebremstem Tempo versuchte Morten Bogacki das Problem für den Ausfall des Autopiloten zu ergründen, installierte das Ersatzgerät. Als das Gestänge der Reserve-Steueranlage montiert war, arbeitete der zweite Autopilot kurzzeitig, versagte aber nach wenigen Minuten ebenfalls den Dienst. „Der zweite Autopilot hat zwar einen eigenen Schaltkreis, beide sind aber über ein Relais miteinander verbunden, damit sie nicht gleichzeitig arbeiten. Hier muss irgendwo das Problem stecken. Jedenfalls konnten beide Schaltkreise den Computer nicht mehr ansteuern“, berichtete Bogacki. Die Folge: Der deutsche Solosegler krabbelte durch das gesamte Boot, checkte Sicherungen und Kabelverbindungen, konnte den Fehler aber nicht finden. Schließlich entschloss er sich zu einem Komplett-Reset. Aber auch das brachte keinen Erfolg.
„Es war hart: Die ganze Saison hatte die Elektronik überhaupt keine Probleme gemacht, aber ausgerechnet jetzt. Ich hatte kaum Schlaf gehabt und musste überlegen, wie es weitergehen sollte und vor allem wo ich hinwollte.“ Die Erkenntnis: Inzwischen war „Lilienthal“ so weit auf dem Atlantik, dass es eigentlich keine Optionen mehr gab. Portugal wäre hart am Wind nur noch schwer zu erreichen gewesen, Madeira bietet für eine Reparatur kaum Möglichkeiten. Also führte der Weg ohnehin in Richtung Kanaren – ohne die Aussicht auf viele Ruhephasen. „Die einzige Möglichkeit wäre noch gewesen, über ein Begleitboot einen zweiten Mann an Bord zu nehmen, um wechselnd steuern zu können“, so Bogacki. Aber das hätte das Aus bedeutet. So ging es also solo weiter in Richtung Etappenziel.
In der ersten Nacht nach den Technikproblemen gab es gar keinen Schlaf für den Deutschen, in der zweiten gönnte er sich zwei Stunden, indem er die Yacht beigedreht driften ließ. Am Samstag gab die Flaute Gelegenheit, für drei bis vier Stunden etwas Schlaf zu finden. Am Sonntag döste Bogacki zwischenzeitlich vor sich hin. Und in den letzten 24 Stunden mobilisierte er die letzten Kräfte, um Las Palmas zu erreichen.
Dabei verlor er noch nicht einmal den Regattamodus aus den Augen: „Ich hatte schon einen Strategieplan. Trotzdem war es schwierig, da ich nicht mehr den Überblick hatte, wie ich im Vergleich zu den Konkurrenten positioniert war.“ Am Ende rutschte Bogacki noch knapp der zehnte Platz unter den 21 verbliebenen Booten der Prototypen aus den Händen, doch das war schließlich nicht mehr entscheidend: „Ich bin absolut glücklich, tatsächlich angekommen zu sein.“
Doch jetzt stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Am 2. November würde die zweite Etappe in die Karibik gestartet werden. Ein Telefon-Rundumschlag, um die Gründe für das Autopiloten-Problem zu ermitteln, läuft. Das Problem: Die Zeit bis zum Start rennt, und sollten tatsächlich Ersatzteile beschafft und eingebaut werden können, sind die Möglichkeiten für Testfahrten gering. Bogacki: „Ich habe mit Team-Manager Jens Kuphal telefoniert. Wir arbeiten intensiv daran. Aber das Risiko muss überschaubar bleiben. Denn der Ausfall des Autopilotens auf der zweiten Etappe in die Karibik wäre noch mal eine ganz andere Geschichte.“