Etappe der Guten Hoffnung

Es war eine schwierige Segel-Beziehung zwischen Kapstadt und den Imoca-Teams beim The Ocean Race 2023. Vor zwei Wochen stemmte sich das St. Helena Hoch gegen eine Ankunft der Crews, nun kündigt sich in 24 Stunden wieder eine Flautenzone an und macht den Abschied schwierig. Schon der Start im Windschatten des Tafelbergs wurde an diesem Sonntag um 14:15 Uhr Ortszeit zur Achterbahnfahrt. Kurz vor dem Start-Signal brach der Wind ein, kam kurz darauf wieder und hob die Yachten auf die Foils mit dem Team Biotherm von Paul Meilhat in führender Position. Doch dem Highspeed-Modus folgte das komplette Aufstoppen der Flotte, die durch die Bucht vor Kapstadt driftete. Nach einigen Minuten war die Action wieder da. Doch eine Stunde nach dem Start war kompletter Stillstand mit dem GUYOT environnement – Team Europe in führender Position, während Biotherm mit technischen Problemen in den Hafen zurückgekehrt war und auch 11th Hour Racing (Charlie Enright, USA) komplett aufgestoppt hatte – mit Problemen am Großsegel.

Mit dem Start von Kapstadt steht die fünf ein neues Abenteuer an. Ein Abenteuer, das es so noch nicht gegeben hat in der 50-jährigen Geschichte des Rennens. 12.750 Seemeilen rund um den antarktischen Kontinent ohne einen weiteren Stopp von Südafrika bis nach Brasilien: Niemals zuvor in seinen bisherigen 13 Auflagen hat das The Ocean Race die Athleten in dieser Weise gefordert. Es ist eine Etappe, auf der viele Meilensteine passiert werden. Es sind Momente, in denen aus Seglern Legenden werden.

Die erste große Landmarke dieser Monster-Etappe ist nur wenige Seemeilen vom Start entfernt. Doch mit dem Passieren des Kaps der Guten Hoffnung beginnt erst das Rennen der großen Hoffnungen. Alle Skipper und Crewmitglieder sind sich der riesigen Aufgabe sehr bewusst. Mit einer Mischung aus Vorfreude und Demut, mit Ehrgeiz, aber auch Zurückhaltung, mit dem Willen, die Yacht hart zu pushen, aber auch immer dem Blick auf die Sicherheit gehen sie die Etappe an.

Im GUYOT environnement – Team Europe sind Skipper Benjamin Dutreux und Annie Lush nach ihrer Pause zur zweiten Etappe in die Mannschaft zurückgekehrt und bilden mit Robert Stanjek, Sébastien Simon und Onboard-Reporter Charles Drapeau das Quintett für den Southern Ocean auf der schwarzen Yacht.

Benjamin Dutreux konnte den Wiedereinstieg in das Rennen kaum erwarten: „Es war auf der vergangenen Etappe nicht einfach, das Boot nur am Tracker zu verfolgen. Ich hatte wie das Publikum sehr wechselnde Gefühle – mal war ich sehr zuversichtlich, und dann hat es mich wieder verrückt gemacht, auf den Bildschirm zu gucken.“ Der fünfte Platz war zwar nicht das erhoffte Ergebnis, aber der 32-jährige Dutreux konnte der Mannschaft keinen Vorwurf machen: „Die Punkte auf dem Tableau sehen natürlich nicht gut aus. Aber das Team hat immer alles gegeben. Wir sind in einem guten Entwicklungsprozess. Ich bin stolz und freue mich auf die Etappe. Es wird ein cooles Rennen – für uns und für die Zuschauer. Die Konkurrenz ist unglaublich stark. Die neuen Boote sind sehr beeindruckend. Es sind in den vergangenen Monaten wirklich starke Yachten gebaut worden.“

Für Sébastien Simon war die zweite Etappe des The Ocean Race nur die Warmlauf-Phase, um jetzt richtig aufzudrehen: „Für mich beginnt das The Ocean Race erst hier in Kapstadt. Auf dieser Etappe gibt es zwei Wertungen, es kann viel passieren. Wir werden eine Menge Wind und hohe Wellen erleben. Wir werden weit entfernt von jeder Landmasse sein, so dass uns der Wind ungehindert treffen wird.“ Für den 32-jährigen Franzosen ist es auch die Gelegenheit, einen unfertigen Job zu Ende zu bringen: „Ich bin froh, über diese Chance. Ich habe schlechte Erinnerungen an den Southern Ocean. Vor zwei Jahren habe ich meine Vendée Globe drei Tage vom Kap der Guten Hoffnung entfernt abbrechen müssen, nachdem ich ein unbekanntes Objekt im Wasser getroffen habe und nach Kapstadt umkehren musste. Deshalb freue ich mich auf diese Etappe.“

Für den Berliner Robert Stanjek werden die kommenden fünf Wochen ganz neue Erfahrungen bringen, die mit Bedacht anzugehen sind: „Wir segeln durch die widrigsten Wetterbedingungen, die dieser Planet zu bieten hat. Es ist alles etwas härter, größer und natürlich kälter. Der Standard der Vorkehrungen ist wegen dieser Seegebiete riesig. Wir haben Schulungen und Briefings in Sicherheitsfragen durchlaufen – sei es in der medizinischen Ausbildung, aber auch im Krisen-Management für großen Materialbruch. Wir haben einstudierte Abläufe und ausgebildete Kräfte für die einzelnen Eventualitäten an Bord, und es ist eine erfahrene Crew. Ich bin bei uns der einzige Newcomer im Southern Ocean.“ Die Bedenken dürfen allerdings nicht die Gedanken übernehmen: „Ein Stück weit muss man eine Kammer finden, in der die menschlichen Sorgen weggesperrt werden. Es verbleibt natürlich ein Risiko. Eine ernsthafte Verletzung kann schon kompliziert werden. Aber es ist auch ein gutes Abenteuer, dort runter zu gehen. Augen zu und durch! Es wird schon werden. Es ist die Königsetappe, es ist die DNA dieses Rennens.“

Ein Fels in der Brandung des GUYOT environnement – Team Europe wird Annie Lush sein. Die zweimalige Weltumseglerin hat als einzige den Southern Ocean im Team-Segeln gemeistert, kennt auch die zwischenmenschlichen Herausforderungen, die auf solch engem Raum auf die Crew warten. Mit Akribie hat sie in den vergangenen Tagen die Verpflegungstaschen gepackt und dabei darauf geachtet, dass es für die schweren Tage auch immer einen kleinen Leckerbissen geben wird. Die 42-jährige Britin machte es kurz und knapp vor dem Ablegen: „Let’s do it!“

Mit dem Blick auf den Tafelberg wurde die Crew des GUYOT environnement – Team Europe von ihrem Team, Freunden und Familienmitgliedern aus dem Hafen von Kapstadt verabschiedet. Zahlreiche Zuschauer säumten den Ponton im Ocean Live Park und bereiteten der Yacht einen emotionalen und lauten Abschied. „Ein toller Moment. Das ist es, wofür wir das hier machen“, sagte die französische Team-Managerin Alice Potiron. Und Jens Kuphal, der deutsche Team-Manager, ergänzte: „Wir sehen uns in Brasilien!“

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