Geduld ist der Schlüssel der dritten Etappe

Ein Mittelmeer mit all seinen Tücken, eine Windprognose mit diversen Fragezeichen, eine Etappe mit vielen Möglichkeiten für Erfolg und Misserfolg: Das dritte Teilstück des The Ocean Race Europe von Alicante/Spanien nach Genua/Italien wird den zwölf Teams in den zwei Klassen alles abverlangen – vor allem Nervenstärke. Eine Aussage über den Ausgang scheint nicht möglich. Robert Stanjek, Skipper des Offshore Team Germany, geht trotz des Selbstbewusstseins ob des bisher guten Abschneidens zurückhaltend in die letzte Offshore-Etappe, bevor ein Coastal Race am 19. Juni vor Genua die Entscheidung über die erste Auflage dieser Europa-Regatta bringen wird.

600 Seemeilen trennen die Teams vom Zielort des Rennens, wenn die sieben VO65 am Sonntag um 13 Uhr und 20 Minuten später die fünf Imocas auf die Reise geschickt werden. 1100 Kilometer Strecke, auf denen viele Routen-Optionen entlang der Küste oder den Balearen und Korsika gewählt werden können. Die Wettervorhersagen machen die Wahl nicht einfacher: Die Bedingungen im Mittelmeer sind zu dieser Jahreszeit notorisch wechselhaft und unberechenbar. Auf ihrer Etappe müssen die Crews wahrscheinlich mit starkem Wind, aber auch langanhaltender Flaute zurechtkommen. Ausgeprägte Hochdruckzonen mit leichten Gegenwinden könnten das Rennen zwischen Spanien und Italien bestimmen.

„In dieser Etappe wird man sehr geduldig sein müssen, nicht zu gierig“, sagt Robert Stanjek. „Man muss bereit sein für Comebacks. Es ist offensichtlich, dass es viele Änderungen der Bedingungen geben wird. Der Wind wird mehrfach am Tag einbrechen, die Flotte wird sich auseinanderziehen und wieder zusammengeführt werden. Es wird ein schwieriges Risiko-Management im Mittelmeer.“

Die Ausgangslage für Stanjek und seine Crewkollegen Phillip Kasüske, Annie Lush und Benjamin Dutreux vor dem letzten Drittel des The Ocean Race Europe ist besser als zuvor erhofft. Nach Platz vier auf der ersten Etappe, dem Sieg im Coastal Race von Cascais und dem zweiten Rang auf dem zweiten Offshore-Teilstück liegt das Offshore Team Germany punktgleich mit dem führenden Team von „LinkedOut“ (Frankreich) und den drittplatzierten „11th Hours Racing“ (USA) auf dem zweiten Platz in der Gesamtwertung. „Ich bin wirklich stolz darauf, wie es das Team geschafft hat, mit den modernen Hightech-Imocas mitzuhalten. Unser Design ist acht Jahre älter, aber wir segeln das Boot sehr gut, bis an sein Limit. Und wir haben es immer wieder geschafft, zurückzukommen, wenn wir mal einen Fehler gemacht haben. Es macht unglaublich Spaß. Jeder wirft alles in die Waagschale. Das lässt sich an den Resultaten ablesen“, sagt Stanjek, und Annie Lush sieht es genauso: „Es ist eine riesige Lernkurve für uns. Wenn man die richtige Balance findet, ist es eine riesige Chance. Ja, wir haben ein älteres Boot und jeder konzentriert sich darauf – und wir haben keine Foils. Aber es kommt sehr darauf an, wie wir das Boot segeln und wie wir das Team einsetzen. Es kann unser größter Gewinn sein, herauszufinden, wie wir unsere Leistung optimieren können.“

Die Tage von Alicante seit der Etappenankunft am Mittwoch hat die Shore-Crew des OTG intensiv genutzt, um die Schäden am Schwert und an der Windelektronik der „Einstein“ wieder zu reparieren. „Das Daggerboard ist viel Arbeit gewesen. Aber es sieht jetzt wieder gut aus. Da haben die Bootsbauer sehr gute Arbeit gemacht. Die Windelektronik funktioniert auch wieder. Außerdem haben wir unseren Code-Zero noch modifizieren lassen, haben das Fuß-Panel ersetzt. Damit hoffen wir, noch ein paar Prozent herauszuholen. Das wird sicherlich eines der Kernsegel für diese Etappe. Das Shoreteam ist guter Dinge, dass wir Handicap-frei ins Rennen starten können“, so Stanjek.

Gleichwohl lasten die Aufgaben auch auf der Crew: „Wir sind schon etwas müde, auch wenn wir jetzt ein paar Tage segelfrei hatten. Aber wir sind kein großer Rennstall und daher warten auch einige Aufgaben – von Presseanfragen bis hin zur Administration – auf uns. Trotzdem: Es ist cool. Wir sind alle motiviert, uns geht es gut, wir sind gesund und happy. Wir sind gut zusammengewachsen, haben eine tolle Lernkurve. Jeder ist gespannt auf die letzte Etappe.“

Der aktuelle Podiumsplatz wäre ein Traumresultat für das Offshore Team Germany, das sich erstmals mit den internationalen Top-Imoca-Kampagnen misst. Noch aber ist alles offen. Auch das bisher hinter den Erwartungen gebliebene Team „Bureau Vallée“ (Frankreich) kann noch auf einen Podiumsplatz klettern. „Wir haben noch eineinhalb Rennen vor uns, werden keine Erwartungen schüren, sondern ganz neutral an den Start gehen. Wenn man zu gierig ist im falschen Moment, dann kann alles vorbei sein“, sagt Robert Stanjek.

Bevor das Coastal Race die endgültige Entscheidung bringt, kann sich die 600-Seemeilen-Etappe lange ziehen. Das Routing erwartet eine Ankunft am Donnerstagvormittag. Einige Teams haben aber vor dem Start Essen bis einschließlich Freitag an Bord gebracht.

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