Die Segler sind auf dem Weg, die Landcrew baut die Base in Kapstadt ab. Mittendrin zwischen Gabelstapler und Hubwagen: Ludger Gawlitta. Der Berliner schwankt beim GUYOT environnement – Team Europe zwischen großen Bauten und kleinen Details. Noch vor drei Tagen, kurz vor dem Start der dritten Etappe des The Ocean Race, hatte sich der 48-Jährige ein dickes Dankeschön von Clement Lambert für ein kleines Päckchen verdient. Der Elektronik-Spezialist war verzweifelt auf der Suche nach einem Kabel mit Spezialstecker zum Laden der Bordbatterien auf See. Logistik-Experte Gawlitta hatte die Marina- und Elektro-Shops in halb Kapstadt nach dem Teil umgegraben, schon im 1400 km entfernten Johannesburg geforscht. Dann bekam er Kontakt zum Eigner einer Super-Yacht. Der Südafrikaner hatte die nötigen Connections: Gawlitta nahm das kleine Päckchen entgegen, Lambert konnte das Teil einbauen, und die Crew wird nun hoffentlich im Southern Ocean die Batterien beständig laden können, um einen reibungslosen Betrieb der Navigations- und Elektroniksysteme gewährleisten zu können.
Die tagelangen Suche gehörte zu den unsichtbaren Arbeiten hinter den Kulissen für Ludger Gawlitta, dem Operational Manager des Teams. Der sichtbare Job hat dagegen die Ausmaße eines Volleyballfeldes ist sechs Meter hoch und bildet die Heimat des Teams in den Etappenhäfen des The Ocean Race: Aus zwei 40-Fuß-Containern und einem Schwerlast-Zelt entsteht jeweils die Team-Base des GUYOT environnement – Team Europe, mit Werkstatt, Lagerfläche, Büro, Arbeitsplätzen für das Kommunikationsteam und Küchen-Tresen. Zwei Versionen der Base reisen per Schiffsfracht im Wechsel zu den Etappenorten, um die Segelcrew jeweils in Empfang nehmen zu können. Das The Ocean Race ist damit nicht nur ein Segelrennen, sondern auch ein logistischer Kraftakt an Land. Und das Gros der Logistik abseits der Yacht, sowie die Organisation von Flügen und Unterkünften, die Klärung von Zoll- und Visa-Fragen liegen in den Händen von Ludger Gawlitta.
Der Ex-Leistungssurfer ist nicht nur durch seine ehemalige Olympia-Kampagne weit gereist und erfahren in diversen Ländern, sondern auch durch seine berufliche Tätigkeit. Während seiner Kader-Zeit studierte er in Kiel BWL, packte später in San Diego noch den MBA (Master in Business Administration) drauf. Zwölf Jahre arbeitete Gawlitta später weltweit für den Daimler- bzw. Mercedes-Konzern, sorgte in unterschiedlichsten Ländervertretungen wie Rumänien, im Iran, in Russland oder Japan für Prozessoptimierungen.
Am Wassersport hat er immer festgehalten. Vor 15 Jahren wurde aus der Surf-Begeisterung allerdings die Leidenschaft für das Offshore-Segeln: Als Crew-Mitglied auf der „Vineta“ von Felix Scheder-Bieschin gewann er das Rolex Middle Sea Race. Insgesamt segelte Ludger Gawlitta dreimal den Segel-Klassiker über 600 Meilen im Mittelmeer, ist zudem seit zwei Jahren der Manager des „Rafale“-Segelprojekts vom VSaW Berlin. „Das war ein Glücksfall für mich, eine sehr gute Vorübung, als ich mich initiativ beim Offshore Team Germany (OTG) beworben und vor einem Jahr die Gespräche mit Jens Kuphal und Robert Stanjek aufgenommen habe.“ Die Corona-Krise hatte gerade ein Restaurant-Projekt von Ludger Gawlitta zerschlagen. „Ich wollte dann etwas machen, zu dem ich richtig Lust habe.“
Vergangenen Sommer stieg er in das OTG-Projekt ein, war schnell in die Meetings mit dem The-Ocean-Race-Management eingebunden und wurde schließlich mit dem Aufbau der Land-Logistik betraut, als sich das OTG und die Kampagne von Benjamin Dutreux zum GUYOT environnement – Team Europe zusammenschlossen. Von seinem Arbeitgeber, der Unternehmensberatung Avantalion, wurde er für die neue Aufgabe an das OTG ausgeliehen.
Der erste Job bestand darin, die Idee einer Team-Base zu entwickeln. Überlegungen von Leih-Bauten in den Etappenorten wurde aus Kostengründen verworfen. Stattdessen stieß das OTG auf die ausrangierten Zeltkonstruktionen des ehemaligen Brunel-Teams, die in Amsterdam Rost und Dreck ansetzten. Gemeinsam mit Ex-Starboot-Ass Marc Pickel sowie OTG-Crew-Mitglied Phillip Kasüske kramte Ludger Gawlitta das Equipment wieder hervor, setzte einen Tag lang den Hochdruckreiniger an, befreite die Konstruktion von Rost, ersetzte schadhafte Beschläge. „Die Erfahrung von Marc hat da unglaublich geholfen. Er hat den perfekten Blick. Wirklich jedes Teil, das wir auf seinen Rat hin neu gekauft haben, wurde auch gebraucht“, sagt Gawlitta.
Inzwischen ist das deutsch-französische Team im Aufbau der mächtigen Konstruktion erprobt, kann mit einem Hubstapler innerhalb eines Tages das gewaltige Zeltdach auf die seitlich aufgestellten Werkstatt- und Lager-Container aufsetzen. In den stürmischen Bedingungen von Kapstadt hat sich die Base bestens bewährt.
Nachdem der Punkt der Base geklärt war, ging es daran, die beiden Werkstatt-Container identisch mit Werkzeugen und Material auszustatten sowie die Frage zu klären, was in den Lager-Containern und was in einem Luftfracht-Container um die Welt reisen wird – mit der Überwindung der zusätzlichen Hürden, die sich durch die Zollbestimmungen aufbauten.
Dazu lief die Planung für die Reisen der Shore-Crew an. Wer muss wann wo sein? Wie viel Unterkünfte werden benötigt? Reisen Familien und Freunde der Crewmitglieder mit? Eine fortwährende Aufgabe! Denn immer wieder müssen Buchungen erweitert und geändert werden.
Dabei gilt es, stets den Blick auf die Finanzen zu behalten, denn im Circuit der Imoca-Rennställe ist das GUYOT environnement – Team Europe die Kampagne mit dem kleinsten Budget. Etwas neidvoll blickt Gawlitta beim Aufbau mitunter auf die anderen Teams: „Dort werden die Bases mit Extra-Kräften aufgebaut. Bei uns machen wir das intern mit dem Technik-Team. Aber wir haben eine steile Lernkurve. Und es gibt viel Unterstützung von den Konkurrenten. Mit 11th Hour Racing haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Da konnte ich mir vieles abgucken. Allerdings muss bei uns alles etwas schlanker sein – im großen Ganzen, aber auch in den kleinen Details.“