Keine Minute zum Ausruhen

Gibraltar liegt achteraus, die ersten drei Tage des The Ocean Race seit dem Start in Alicante hat das GUYOT environnement – Team Europe im Heckwasser. Und es waren Strapazen auf diesen 700 Seemeilen der insgesamt 1900 Seemeilen lange Etappe nach Cabo Verde, die an die Belastungsgrenze von Mensch und Material gingen. Seit die schwarze Yacht im Alborán-Meer, dem westlichen Teil des Mittelmeeres, den Bug in den Sturm gesteckt hat, gab es keinen Moment der Ruhe mehr. Im Meerestrichter bis zur Straße von Gibraltar wüteten Wind und Wellen. Um die Yacht nicht den brutalsten Bedingungen auszusetzen, wählte die Crew um Skipper Benjamin Dutreux und Co-Skipper Robert Stanjek eine nördliche Route im kargen Schutz der Iberischen Halbinsel. Das allerdings forderte viele Manöver auf dem Am-Wind-Kurs bis in den Atlantik. Von Almeria bis nach Tarifa am Ausgang der Straße von Gibraltar setzte die Crew 26 Wenden – jede einzelne verbunden mit intensiver Arbeit, um den Bug durch die steilen und hohen Wellen zu drehen.

Über acht Stunden peitschte der Gegenwind mit 40 bis 50 Knoten über das Deck, in der Spitze wurden 58 Knoten (107 km/h) gemessen. Von Schäden blieb das GUYOT environnement – Team Europe nicht verschont: Die beiden obersten Latten im Großsegel brachen, zwischen dem zweiten und dritten Reff des Großsegels klaffte ein Riss. Lediglich mit Sturm-Fock und mit dem dritten Reff im Großsegel kämpfte sich die Mannschaft durch den Sturm.

Nach rund zwei Renntagen seit Alicante war dann der Atlantik erreicht und die Yacht konnte mit der letzten Wende westlich von Tarifa den Kurs Richtung Südwesten setzen. Allerdings ging es wegen der Segelschäden zunächst nur mit gedämpfter Performance weiter. Mit dem dritten Reff im Großsegel war das französisch-deutsche Team im Vergleich zu den Konkurrenten deutlich unterpowert. So wurde die erste Chance zur Reparatur genutzt, als das Verkehrstrennungsgebiet vor der Straße von Gibraltar, die meistbefahrene Meerenge der Welt, passiert war: Aus einer großen Ersatzlatte sägte sich die Mannschaft zwei Ersatzlatten für das Top des Großsegels zurecht. Nachdem das sperrige Tuch an Deck geholt worden war, um die Latten zu wechseln, ging es zunächst nur unter Vorsegel weiter, später endlich wieder mit ausgestelltem Großsegel. Da aber der Cut im Segel bei der fliegenden Gischt noch nicht repariert werden konnte, musste ein Moment abgewartet werden, bis der Wind etwas nachließ. Der kam schließlich um 2 Uhr am Dienstagmorgen. Bei unter 20 Knoten Windspeed wurde erneut das Segel eingeholt, und Annie Lush setzte das Reparatur-Tape. Dann endlich ging es unter bestmöglicher Besegelung auf die Verfolgung der enteilten Konkurrenz – mit der Hoffnung, dass das Tape bis Cabo Verde hält. Den Optimismus und Kampfgeist haben sich die Fünf an Bord nicht nehmen lassen. Mit dem Blick nach vorn gucken sie, ob sich irgendwann noch eine Minimal-Chance ergibt, um anzugreifen.

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