Das Offshore Team Germany (OTG) hat die moderaten Bedingungen in der Biskaya genutzt, um zum Auftakt der ersten Etappe des The Ocean Race Europe auch ohne Foils an den favorisierten Teams der Imoca-Klasse dran zu bleiben. Zwischenzeitlich setzte sich die Mannschaft um Skipper Robert Stanjek mit der zehn Jahre alten „Einstein“ sogar an die Spitze des Feldes. Mit der Rundung des Kap Finisterre, der Nordwest-Spitze Spaniens, musste das OTG aber vorerst den Kontakt zum Feld abreißen lassen. Unter idealen Foil-Bedingungen mit rund 20 Knoten Wind aus raumem Winkel sprangen die foilenden Imocas in Richtung Westen davon – zur virtuellen Rundungsmarke im Atlantik. Doch die „Einstein“ hielt den Abstand in Grenzen, konnte am Montagmorgen bei einem Rückstand von 45 Seemeilen in der Geschwindigkeit fast wieder mit der Konkurrenz gleichziehen.
Der Start in die erste Etappe des Rennens am Samstagmittag war der Moment für die „Einstein“: Das 1300 Seemeilen lange Teilstück der dreiteiligen Tour begann mit extrem leichten Winden vor Lorient/Frankreich. Und OTG-Skipper Robert Stanjek weiß aus seiner olympischen Karriere, was es heißt, sich am Start zu positionieren. Er wählte den Punkt am Startschiff, hatte die Flotte stets im Blick und kontrollierte das Feld. Als erster Imoca passierte die „Einstein“ das Gate, von wo aus der Weg für die weitere Etappe freigegeben war. Natürlich hatte diese erste Stunde nur wenig Aussagekraft für die weitere Strecke nach Cascais/Portugal, aber es war die Gelegenheit, um in der Live-Übertragung des Starts via Eurosport in 50 Länder die deutschen Farben zu präsentieren.
Doch es blieb nicht bei der einen Sternstunde für die „Einstein“. Eineinhalb Tage lange hielt der Non-Foiler den Druck auf die favorisierten Imocas hoch. Obwohl die führende „11th Hour Racing“ (USA) sowie die verfolgenden französischen Teams „LinkedOut“, „Bureau Vallée“ und „Corum L’Èpargne“ aus der neuesten Generation der Imocas stammen bzw. mit großem Aufwand auf den aktuellesten Stand gebracht worden sind („11th Hour Racing“) konnten sie bis zum Kap Finisterre keinen Vorteil generieren. Im Gegenteil: Zwischenzeitlich übernahm die „Einstein“, für die erst nach dem Rennen Foils konstruiert werden, immer mal wieder die Führung – sehr zur Freude von Skipper Stanjek und der Teamführung: „Wir hatten eine sehr, sehr gute Nacht erste Nacht, konnten nicht nur mit den anderen neuen Imocas mithalten, sondern für einige Meilen auch die Führung übernehmen. Nun geht es auf direktem Weg in Richtung Wegpunkt. Großartiges Segeln, keine Probleme aktuell, tolle Etappe für uns bisher“, berichtete Robert Stanjek aus der Biskaya. Teammanager Jens Kuphal schlug in die gleiche Kerbe: „Das Team schlägt sich bestens, hat sich am Start perfekt in Szene gesetzt. Wir sind sehr stolz. Dass die anderen Imocas bei den nun herrschenden Bedingungen auf dem Atlantik deutlich im Vorteil sein werden, ist klar. Aber die Performance in den ersten eineinhalb Tagen gibt uns viel Zuversicht für die weiteren Etappen.“
Die erste Etappe führt die Flotte der fünf Imocas sowie der sieben VO65 zu einer virtuellen Rundungsmarke im Atlantik (auf halbem Weg zwischen dem europäischen Festland und den Azoren) und von dort nach Cascais in Portugal. Knapp die Hälfte der Strecke ist nach zwei Tagen bewältigt. Im weiteren Verlauf des Rennens wird es von Cascais nach Alicante/Spanien gehen, bevor die reine Mittelmeer-Etappe nach Genua/Italien den Schlusspunkt des The Ocean Race Europe bildet.
The Ocean Race Europe ist die erste Gelegenheit zum Vergleich unter Wettkampfbedingungen für das Offshore Team Germany. Das Ziel ist die Teilnahme am The Ocean Race um die Welt mit Start im Herbst 2022. Die Erfahrungen aus dem Europa-Ableger des großen Rennens fließen in die Konstruktion der Foils ein. Mit der 2011 gebauten und vor fünf Jahren erworbenen Yacht hat das OTG eine starke Basis für einen Foiling-Imoca. Die ersten Eindrücke bestätigen die bisherige Strategie des deutschen Teams, das mit einer soliden Yacht nach dem Umbau auf Foils den Weg bereitet, dass die deutschen Farben 20 Jahre nach dem Sieg der „Illbruck“ im Volvo Ocean Race 2001/02 wieder im professionellen Hochsee-Segelsport vertreten sind.