Stolzes Team nach Final-Drama

Über vier Tage waren sie auf See, 1300 Seemeilen haben sie im Kielwasser, zwischenzeitlich lagen 100 Seemeilen zwischen den Konkurrenten, und am Ende war es ein Zieleinlauf wie bei der Drachen-Regatta auf der Alster. Nur um wenige Meter und Sekunden getrennt zogen die Yachten des The Ocean Race Europe über das Etappenziel in Cascais. Das Offshore Team Germany kämpfte im Zielsprint mit allen Mitteln gegen die Übermacht der foilenden Imocas, wählte auf dem Schlusstück die Position in der Mitte des Feldes und rutschte zum Schluss doch vom Podium, als eine Böe die „LinkedOut“ (Frankreich) auf die Flügel hob und an der deutschen Yacht vorbeischob. Nur kurz zuvor hatten die „Corum L’Erpagne“ (Frankreich) und die „11th Hour Racing“ (USA) die Ziellinie gekreuzt. Von Enttäuschung war bei Skipper Robert Stanjek und seiner Crew allerdings keine Spur. Sie hatten sich mit der Yacht der älteren Generation so teuer verkauft, wie es auf dieser Atlantik-Etappe von Lorient/Frankreich nach Cascais/Portugal niemand erwartet hätte.

Grau zugezogen hatte sich der Himmel über Cascais, ein leichter Nieselregen setzte ein, als die fünf Imocas und die sieben VO65 der Premiere des The Ocean Race Europe zu ihrem ersten Zieldurchgang ansetzten. Die Sicht reichte nur wenige Hundert Meter weit, als auf breiten Front die Segel durch den Dunst brachen. Dicht unter Land hatten sich bei den Imocas die „Corum L’Érpagne“ und die „11th Hour Racing“ positioniert. Zunächst schien das US-Team die Trümpfe in der Hand zu halten. Doch einen Hauch zu dicht an den Felsen von Cascais verließ sie der Wind. „Corum“ huschte durch und sicherte sich den Sieg dieser ersten von drei Etappen.

Der Kampf um den dritten Rang auf dem Podium wurde zu einer Parallele des Siegerduells. Die weiße „Einstein“ mit den Deutschland-Farben im schwarzen Segel rauschte heran, hatte „LinkedOut“ in Lee scheinbar sicher unter Kontrolle. Doch der Wind war zu unbeständig. Immer wieder verlor die Mannschaft von Robert Stanjek, Phillip Kasüske, Annie Lush und Benjamin Dutreux den Druck. „LinkedOut“ erwischte es besser. Der blaue Renner sprang plötzlich auf die Foils, zog vorbei und sicherte sich mit fünf Sekunden Vorsprung den dritten Platz.

„Ich bin von den Socken. Ein großartiges, ein sehr intensives Rennen. Unter bestimmten Bedingungen mussten wir feststellen, dass die Foiler in einer anderen Liga segeln. Wir selbst haben absolut am Limit agiert und unsere Chancen genutzt, sobald sie sich ergeben haben. Am Ende hat es nicht sein sollen mit einem Platz auf dem Podium, aber das Team hat am Maximum gefightet“, berichtete Robert Stanjek. Nach einer Renndauer von vier Tagen, 50 Minuten und 14 Sekunden war ihm die Erschöpfung anzumerken: „Wir sind gut durch. Es war ein sehr nasses Rennen. Unser Topspeed waren 32 Knoten. Der Abschluss ist schade. Da konnte man noch einmal den Unterschied zwischen den Foilern und uns sehen. Die kommen aus dem Wasser und fahren gleich fünf Knoten schneller. Aber wir sind glücklich!“

Mit großer Anspannung hatte die Team-Führung des OTG den Zieleinlauf verfolgt, war angesichts der Leistung ihrer Mannschaft trotz des verpassten Podium-Ranges hoch zufrieden – vor allem vor dem Hintergrund, dass eineinhalb Tage zuvor fast 100 Seemeilen zur Spitze fehlten. „Was für ein Ritt durch die Nacht! Wahrscheinlich wäre Albert Einstein der Einzige gewesen, der die Wahrscheinlichkeit hätte berechnen und voraussagen können, dass die Crew es schafft, einen Rückstand von 100 Seemeilen noch aufzuholen. Ich bin unglaublich stolz auf die Leistung von Annie, Robert, Benjamin und Phillip. What a Race“, sprudelte das Glück aus CEO Michael End nur so hervor.

Teammanager Jens Kuphal ergänzte: „Auf diesen Moment haben wir fünf Jahre hingearbeit. Heute ist der Tag, der die Arbeit auf den Punkt gebracht hat. Ein Riesen-Dank an das gesamte Team, an jeden einzelnen, für die geleistete Arbeit. Kuphal warf nach dem Erfolg bereits den Blick voraus: „Was diese erste Etappe des The Ocean Race Europe bereits gezeigt hat, ist, dass die Vendée Globe und The Ocean Race zwei völlig unterschiedliche Rennen sind. Es ist eine komplett andere Anforderung – für die Crew, aber auch für das Material. Wir sind glücklich, dass wir den Fokus auf das The Ocean Race gelegt haben. Für die Imoca-Klasse ist es großartig, dass sie nun auf zwei so verschiedenen Spielfeldern vertreten ist.“

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