Um die Welt, der Familie entgegen

Zwei Tage noch, dann starten die fünf Imocas in das The Ocean Race. Der härtesten Mannschaftsherausforderung des Segelsports blickt der Berliner Robert Stanjek, Co-Skipper des GUYOT environnement – Team Europe, mit vielen unterschiedlichen Gefühlen entgegen und bietet vor der ersten Etappe von Alicante/Spanien zu den Kapverden einen Einblick in seine Gedankenwelt.

Am Sonntag geht es endlich los: The Ocean Race! In fünfeinhalb Monaten um die Welt. Über den Äquator, vorbei an den ikonischen Marken dieser Erde: Kap der Guten Hoffnung, Kap Leeuwin, Kap Hoorn, in einer langen Etappe rund um den antarktischen Kontinent. Was wartet da? Ich freue mich drauf, dass es losgeht. Aber natürlich ist da auch viel Unsicherheit. Bei meinen Olympia-Kampagnen lag die Kontrolle in meinen Händen, in der Imoca-, der Ocean-Race-Szene bin ich noch ein Neuling. Ich habe großes Vertrauen in die Erfahrung des Teams meines Co-Skippers Benjamin Dutreux, doch es bleiben große Unbekannte, die auf mich zukommen.

Die vergangenen Tage haben die ganze Aufmerksamkeit gefordert. Die Gehirnwellen sind einfach nicht zur Ruhe gekommen. Ständig bin ich die Checklisten durchgegangen, habe Punkte abgehakt, musste neue Aufgaben bewältigen. Abends war ich lange wach, bin mitten in der Nacht aufgewacht, habe etwas aufgeschrieben, um es abzuarbeiten, war wieder früh hoch. Körper und Geist haben nur wenig Schlaf gefunden.

So seltsam es klingt: Wenn das Rennen beginnt, kann ich zur Ruhe kommen. Wenn sich die Weite des Ozeans öffnet, wenn wir mit dem Team in den Rhythmus finden, dann kann die Anspannung abfallen.

Der Start ins Rennen ist für mich auch kein Abschied. Es ist der Beginn der Rückkehr. Wenn wir Alicante verlassen, dann segele ich der Familie wieder entgegen. Meine Frau und die beiden Kinder erleben den Start von Berlin aus. Wir haben uns dagegen entschieden, dass sie zum Start nach Alicante kommen. Der Abschied liegt nun also schon zwei Wochen zurück. Weihnachten zuhause im Kreise der Familie war wichtig. Wir haben versucht, das Rennen nicht zum Thema zu machen, auch wenn ich in Berlin viele Telefonate mit dem Team geführt habe.

Für mich ist es einer der höchsten Preise, den das Rennen fordert, dass ich meine Familie über Wochen nicht sehen kann. Man verpasst vieles. Mit ihren fünf und drei Jahren machen die Kinder große Entwicklungsschritte. Der Große kann die Dimension dieses Rennens bereits gut erfassen. Wir sind oft an der Ostsee. Er kennt das Meer. Zuhause haben wir eine große physische Weltkarte, haben die Route eingezeichnet. Der lange Strich rund um die Welt im Southern Ocean hat gewaltige Ausmaße im Vergleich zur Ostsee. Er weiß, was Papa da macht. The Ocean Race ist kein Tennis-Match.

Mit meiner Abreise nach Alicante musste meine Frau die familiäre Verantwortung schultern. Ich bin froh, dass sie und meine Kinder gut eingebettet sind in die Großfamilie mit Eltern und Schwiegereltern. Der Moment des Abschiedes war hart. Wir haben uns alle fest in die Arme genommen, jeder hatte Tränen in den Augen. Ein wichtiger Punkt für mich ist Kapstadt. Die Familie kommt nach Südafrika, wir haben ein schönes Ressort gebucht, wollen von dort auf eine Safari gehen. Es ist das erste Zwischenziel, auf das ich von jetzt an hinsteuere.

Danach kommt der lange Leg. Als die Etappe veröffentlicht wurde, musste ich schon schlucken. Wir sind zuletzt bei der Transatlantik-Überführung 15 Tage am Stück in wechselnden Bedingungen auf der Yacht gesegelt. Der Körper hat gehalten, der Kopf hat es gut mitgemacht, aber im Southern Ocean ist alles eine Nummer größer. Die Etappe ist länger, die Wellen sind höher, der Wind wird stärker sein. Die Imoca sind relativ sicher, und wir haben ein erprobtes Boot. Dennoch: Es hängt alles von einer konzentrierten Arbeit ab. Dort unten darf man sich keine Nachlässigkeiten erlauben. Unser Zusammenarbeit an Bord ist gut eingespielt, und es gut zu wissen, dass wir keine Hasardeure im Team haben. Dennoch weiß man nicht, was kommt. Ein Szenario wie bei der Vendée Globe mit Kevin Escoffier darf keinem Team passieren. Mit fünf Mann in die Rettungsinsel zu müssen, ist ein unvorstellbarer Gedanke.

Aber trotz all dieser Überlegungen und Gedanken, die man mit sich schleppt, steht eines über allem: Dies ist der Wettkampf, den ich wollte. Es ist der Traum, den wir seit acht Jahren verfolgen. In den nächsten Monaten wird es darum gehen, eine gute Intuition zu entwickeln. Zu verstehen, wann man pushen und wann man den Fuß vom Gas nehmen muss. Am Sonntag geht es los: In sieben Etappen um die Welt, 32.000 Seemeilen vor dem Bug. Das Ziel heißt Genua!

Nach oben scrollen