Die zweite Etappe des The Ocean Race Europe von Cascais/Portugal nach Alicante/Spanien bot für die Crews der Imoca-Flotte die gesamte Palette des Freuds und Leids im Offshore-Segeln: stürmischen Wind und harte Wellen gegenan, totale Flaute und die Suche nach der kleinen Brise, Kollisionen, Defekte, Schlafmangel. Am Ende war es erneut ein enger Fight um das Podium. Ein Fight, den das Offshore Team Germany nach dem vierten Platz in Etappe eins nun mit für sich entscheiden konnte. Als Zweiter kreuzte das Team um Skipper Robert Stanjek (Berlin) hinter der „LinkedOut“ (Frankreich) die Ziellinie und bewies damit, dass der Non-Foiler im Wettstreit mit den modernen Konkurrenten mithalten kann – trotz einiger technischer Probleme unterwegs.
Die Aufregung nach dem Start, als das favorisierte Team von „11th Hours Racing“ mit einem kleinen Motorboot kollidierte und mit beschädigten Foil in den Hafen zurückkehrte (verletzt wurde auf der Yacht und auf dem Motorboot niemand), mussten die anderen Crews auf dieser zweiten von drei Etappen schnell abstreifen. Denn rasant ging es in Richtung Süden, vorbei am Kap San Vincente in Richtung Gibraltar. Hier stand der erwartet harte Gegenwind mit teilweise 40 Knoten und eine harte Welle, die die führenden Crews ordentlich durchschüttelte, als sie an der afrikanischen Küste entlang des Verkehrstrennungsgebietes durch die Meerenge kreuzten. Währenddessen kam von hinten „11 Hours Racing“ zwar ohne Backbord-Foil, das in Cascais abgebaut worden war, aber mit guten Bedingungen wieder herangerauscht und konnte schließlich im Mittelmeer zu der Flotte aufschließen.
Das Offshore Team Germany plagte sich derweil mit ganz anderen Problemen. „Es waren wirklich ereignisreiche Stunden“, berichtete Grinder Phillip Kasüske deutlich müde von Bord. „Wir hatten einen guten Start mit einem schnellen Downwind-Ritt. Zwischen Portugal und Spanien war es tricky. In der Straße von Gibraltar hatten wir starken Gegenwind und mussten dem ständigen Schiffsverkehr ausweichen. Unglücklicherweise sind wir auch noch gegen einen – wir glauben – sehr großen Hai geprallt. Dadurch ist unser Steuerbord-Schwert nach hinten geschlagen und hat leichte Schäden in der Führung hinterlassen.“ In Alicante müssen diese Schäden nun genauer untersucht werden. Bis zum Ziel in Alicante konnte das Handicap aber gemeistert werden.
Doch bei diesem Schaden blieb es nicht. Denn in den stürmischen Bedingungen von Gibraltar gab es weitere Verluste. „Wir haben unsere Wind-Elektronik verloren, so dass wir keinerlei Winddaten mehr zur Verfügung haben“, berichtete Robert Stanjek nach der harten Passage der Meerenge. „Das einzige, was wir noch abrufen können, ist unser Bootsspeed. Wir müssen nun durchgehend selbst steuern, da wir den Autopiloten nicht mehr einsetzen können. Das ist wirklich hart, gerade in der Nacht, wenn man sich nur auf die Bootsspeed-Daten verlassen kann.“
Auch zwei schlecht gesetzte Wenden, die die Crew in die Flaute führten, musste das OTG verkraften, rutschte so von der zeitweiligen Führungsposition bis auf Rang fünf zurück. Obwohl sich die Konkurrenz zwischenzeitlich einen kleinen Vorsprung erarbeitet hatte, gab die Mannschaft mit Stanjek, Kasüske, Annie Lush und Benjamin Dutreux nicht auf, kämpfte sich wieder heran und konnte in der dritten Nacht sogar wieder auf einen Podiumsplatz klettern.
Das letzte Teilstück in Richtung Alicante wurde dann im schwachen Wind noch einmal zum Nervenspiel. Während „LinkedOut“ (Frankreich) vorn einem sicheren Sieg entgegen steuerte, suchte „Corum L’Épargne“ (Frankreich) das Glück dicht unter Land. Weiter auf See lieferten sich die deutsche „Einstein“ mit „Bureau Vallée“ (Frankreich) und „11th Hour Racing“ (USA) einen Speedvergleich dicht an dicht. Der Kurs der „Corum“ erwies sich schließlich als Fehler. Die Franzosen mussten abreißen lassen.
Während um 13.44 Uhr die „LinkedOut“ ihren Sieg vor Alicante feiern konnte, tauchten gegen das Sonnenlicht „Einstein“, „11th Hours Racing“ und „Bureau Vallée“ auf. Und das weiße Boot des OTG-Teams hatte den Bug vorn. Während das US-Team bei den leichten Winden den fehlenden Foil nicht vermisste und für Druck sorgte, konnten die Franzosen nicht mehr aufschließen. Aber auch „11th Hours Racing“ konnte trotz des starken Comebacks nach der Start-Kollision nicht mehr vorbeiziehen. Um 14:05 Uhr feierten Robert Stanjek, Phillip Kasüske, Annie Lush, Benjamin Dutreux und Onboard-Reporter Felix Diemer nach Platz vier zum Auftakt, dem Sieg im Coastal-Race von Cascais nun den zweiten Platz auf der zweiten Etappe des The Ocean Race. In der Gesamtwertung stehen nun „LinkedOut“, „11th Hour Racing“ und das OTG mit jeweils neun Zählern punktgleich an der Spitze.