Ein jahrelang gehegter Traum, die Hoffnungen aus unendlichen Bemühungen werden heute um 16.10 Uhr in Alicante Realität. Die ungezählten Stunden Arbeit eines inzwischen 40-köpfigen Teams gipfeln in der Teilnahme am The Ocean Race. In dem Moment des Startschusses zur ersten Etappe des Weltrennens kumulieren das Auf und Ab der Vorbereitung zum Höhepunkt für das GUYOT environnement – Team Europe.
Die Base des französisch-deutschen Rennstalls war vor den Stunden des Starts prall gefüllt mit Emotionen, vor allem bei den Team-Managern Jens Kuphal und Alice Potiron. Sie haben in den vergangenen Monaten aus zwei Rennställen eine Kampagne geformt, haben die verschiedenen Ziele, Mentalitäten und Nationalitäten unter einem Dach zusammengeführt. Jetzt fiebern sie dem Start entgegen.
„Ich freue mich unglaublich, dass es endlich losgeht. Die vergangenen 14 Tage waren so intensiv. Seit wir in Alicante sind, sind wir zu einem Team geworden. Es gibt auf allen Seiten großes Vertrauen“, sagt Jens Kuphal. „Das Boot ist hervorragend vorbereitet, die Segler sind optimal eingestellt. Wir gehen mit großartigen Gefühlen in das Rennen.“ Für den 59-jährigen Berliner ist in dem Moment, wenn die Yacht über die Startlinie geht, das Ziel der Arbeit erreicht. „Für mich persönlich ist dies ein Erlebnis, das man nicht so oft im Leben hat. Robert Stanjek und ich haben uns vor acht Jahren ein fast utopisches Ziel gesetzt, das nun erreicht ist. Wir bedanken uns bei vielen Menschen, die uns auf dem Weg unterstützt und bis hierher gebracht haben. Ich übergebe jetzt an Robert und unseren Freund Benjamin Dutreux.“
Der Weg für Jens Kuphal und Robert Stanjek begann vor acht Jahren mit der Idee, einen deutschen Offshore-Rennstall zu gründen. In der ehemaligen „Acciona“ wurde ein Imoca gefunden, der aus einem Versicherungsfall in intensiver Arbeit wieder zu einer Rennyacht aufgebaut wurde. Beim The Ocean Race Europe 2021 kam sie als „Einstein“ für das Offshore Team Germany unter Skipper Robert Stanjek und Navigator Benjamin Dutreux zum Regattaeinsatz, segelte unerwartet zum Sieg. Die Verbindung zu Dutreux erwies sich blühende Gemeinschaft. Der Franzose kaufte im Sommer 2021 die ehemalige „Hugo Boss 6“ für seine Vendée-Globe-Kampagne 2024/25. Der foilende Imoca brachte ihn auch in die Lage, am The Ocean Rennen teilzunehmen – in Kooperation mit dem deutschen Team.
„Wir tragen uns nun in die Geschichte dieses Rennens ein. Ich bin überwältigt von diesem Gefühl. Es macht uns auch deshalb so stolz, weil wir zu denen gehören, die eine neue Ära in diesem Rennen mit einleiten. Es ist das erste The Ocean Race auf Imocas. Wir segeln gegen vier Top-Konkurrenten, sind selbst top besetzt. Wir wollen etwas erreichen, und wir können das auch.“
Für Alice Potiron, die für Benjamin Dutreux seit der vergangenen Vendée Globe die Kampagnen managt, ist der Start noch nicht greifbar: „Ich habe es noch nicht ganz realisiert, dass es jetzt losgeht. Das vergangene Jahr war so verrückt, die Arbeit in den letzten Monaten und Wochen so intensiv“, berichtet die 31-jährige Französin, die mit ihrem Mann, Tech-Team-Chef Thomas Cardrin, eine zentrale Position im Aufbau der französisch-deutschen Kampagne einnimmt: „Wir haben alles gegeben, was wir konnten. Natürlich kann man es immer besser machen. Aber wir sind stolz, wie wir als Team in allen Bereichen zusammen gewachsen sind. Der entscheidende Punkt in der Zusammenarbeit war, als wir vor zwei Wochen hier in Alicante zusammengekommen sind. Vorher haben wir dezentral gearbeitet. Damit war es kompliziert, in die gleiche Richtung zu gehen. Jetzt haben wir unseren Weg gefunden. Ich fühle mich sehr gut.“
An mehr Ruhe in den nächsten Wochen und Monaten glaubt Alice Potiron allerdings nicht: „Wir sind immer unmittelbar dabei, sammeln die Informationen von Bord, sind für alles vorbereitet und organisieren schon die nächsten Etappen. Trotzdem: Dies ist ein sehr aufregender Tag. Dafür machen wir das!“
Jens Kuphal will den Moment des Starts auf dem Wasser verfolgen – gemeinsam mit seinem Sohn Jascha und seinem Bruder Gunnar: „Wir wollen es uns nicht nehmen lassen, die Mannschaft zu verabschieden und den Moment zu genießen. Auch wenn ich jetzt am Ziel bin, kann ich mir vorstellen, dass es nach diesem Rennen weiter geht. Never say never!“